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Kriegsfotograf Christoph Bangert: Bagdad ist ein hinterhältiger Ort

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Christoph Bangert macht Bilder vom Krieg. Einige dieser Bilder schaffen es nicht, veröffentlicht zu werden, weil sie den Horror des Krieges ungefiltert zeigen. Aus diesen Bildern hat Bangert ein Buch gemacht.

War Porn zählt wahrscheinlich zu den meistverkauften Bildbänden des Jahres. Ein zweifelhafter Ruhm. Ich habe mit Christoph Bangert gesprochen.

War Porn © Christoph Bangert

War Porn © Christoph Bangert

 
Wie sind Sie als Fotograf so ein Draufgänger geworden?
Ich bin kein Draufgänger. Ehrlich. Ich kämpfe ständig gegen diesen Mythos des wilden, heldenhaften Kriegsfotografen an.

Meine tatsächliche Arbeit ist viel komplizierter und vielschichtiger und hat mit diesen Klischees glücklicherweise nicht viel zu tun. Meine erste Reise in ein Krisengebiet habe ich einem dreiwöchigen Studentenaustausch in Jerusalem zu verdanken. Dort habe ich gemerkt dass ich mich für politische Ereignisse und Konflikte nicht nur interessiere, sondern diese auch dokumentieren will.

Riskieren Sie regelmäßig ihr Leben wenn Sie als Kriegsfotograf unterwegs sind?
Ja, manchmal. Aber darüber rede ich nicht gerne. Das lenkt alles nur ab. Denn was wirklich wichtig ist, das sind die Bilder. Alles andere ist zweitrangig.

Dazu kommt, dass die größten Risiken von den einheimischen Fotografen und Journalisten der Länder die ich bereise eingegangen werden. Wir Ausländer verbringen weniger Zeit vor Ort und haben zudem den Luxus nach Hause in den Frieden fahren zu können. Das können unsere afghanischen, irakischen und palästinensischen Kollegen nicht.

Wenn es in diesem eigenartigen Geschäft Helden gibt, dann sind es genau diese Leute.

Ist der Anblick von Toten und Verletzten etwas, an das man sich gewöhnt?
Nein. Daran kann man sich nicht gewöhnen. Sonst ist man kein Mensch mehr. Aber das bedeutet nicht, dass man nicht konzentriert und professionell arbeiten muss, selbst wenn die Situation sehr schwierig ist. Ich muss irgendwie so viel Selbstkontrolle aufbringen um meine Aufgabe erfüllen zu können, denn ich fahre ja nicht in solche Länder zu meiner persönlichen Unterhaltung, sondern weil ich den Auftrag habe Fotos zu machen die dann andere, die nicht die Möglichkeit haben vor Ort zu sein, informieren.

Welcher Kriegs-Schauplatz war Ihr bisher hinterhältigster Ort?
Bagdad. Eindeutig. Die Gefahr der Entführung war dort äußerst groß. Eine unsichtbare Gefahr, die man erst sieht, wenn es zu spät ist und zwar in dem Moment, in dem man entführt wird.

Gibt es eine andere Seite des Krieges als die, die in War Porn zu sehen ist?
Ja, natürlich. Es gibt unzählige andere Facetten dieser Ereignisse. Doch dieses Buch ist ein Experiment: Ich wollte sehen was passiert wenn ich meine eigene Selbstzensur einmal ausschalte und alle die Bilder, die nie veröffentlicht wurden, weil sie zu schrecklich waren, in ein kleines persönliches Buch zu stecke und veröffentliche.

Man könnte sagen, dass dieses Buch sehr einseitig ist. Es zeigt im Grunde nur einen einzigen Aspekt dieser Ereignisse, den Horror, der wie ich finde in unserer Berichterstattung zu wenig präsent ist.

Ein besonderes Foto: Zufall, Inspiration oder minutiöse Planung?
Alles in zusammen! Fotografie ist für mich persönlich am Spannendsten wenn etwas passiert, das man nicht kontrollieren kann. Deshalb arbeite ich auch nicht konzeptionell, sondern eher intuitiv. Ich will mich nicht durch meine eigenen langweiligen Ideen limitieren.

Glauben Sie an die Macht der Bilder? Glauben Sie, dass Bilder die Welt besser machen?
Bilder verändern die Welt nicht. Menschen verändern die Welt. Aber Menschen schauen sich ständig Bilder an, unter anderem weil wir uns in stehenden Bildern, nicht in Texten oder Videosequenzen, erinnern. Und hier liegt genau die große Verantwortung der Fotografie. Wir dokumentieren nicht nur Ereignisse, wir schaffen auch Erinnerungen in den Köpfen der Menschen.

Wir müssen daher die Ereignisse der Welt so allumfassend, ehrlich und gewissenhaft wie möglich dokumentieren. Wenn wir einen bestimmten Aspekt eines Ereignisses weglassen, weil er vielleicht zu unangenehm ist und uns somit selbst zensieren, dann ist es so, als ob dieser Aspekt des Ereignisses gar nicht stattgefunden hätte.

Man stelle sich vor es gäbe keine Bilder, die den Schrecken des Holocausts zeigen. Wie würden wir uns an diese Ereignisse erinnern? Ich denke es würde uns äußerst schwer fallen.

Wie kriegen Sie das hin, Familie mit zwei Kindern und gefährliche Einsätze rund um den Globus?
Das ist die größte Herausforderung. Ich mache immer wieder längere Pausen und fotografiere auch andere Themen, die mit Kriegen nichts zu tun haben.

Sie gehören zu den erfolgreichsten Fotografen der jüngeren Generation. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Einkommen?
Einkommen?

Wo ist Ihr schönster Ort auf der Welt, auf dem Sie keine Fotos machen?
Beim Campen mit meiner Frau und meinen Kindern.

Woran arbeiten Sie aktuell?
Ich versuche ein Langzeitprojekt in Fukushima auf die Beine zu stellen. Das aktuelle Buch War Porn ist aber viel erfolgreicher als ich es erwartet hatte und daher verbringe ich im Moment auch recht viel Zeit damit Interviews wie dieses zu geben …

Woran würde Sie gerne arbeiten?
Syrien.

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Fotograf Christoph Bangert

Christoph Bangert (*1978 in Daun in der Eifel) studierte Fotodesign an der Fachhochschule Dortmund. Am International Center of Photography in New York studierte Christoph Bangert Fotojournalismus und arbeitet seit seinem Abschluss als freier Fotograf, unter anderem in Palästina, Japan, Darfur, Afghanistan, Indonesien, Pakistan, den USA, Libanon, Nigeria, Simbabwe und im Irak, wo er den Krieg für die New York Times dokumentierte.

Derzeit arbeitet Christoph Bangert an einem Langzeitprojekt über die Atomkatastrophe in Fukushima. Bangert lebt mit seiner Frau Chiho – einer japanischen Fotografin und Grafikdesignerin – und zwei Töchtern bei Zürich.

Christoph Bangert – www.christophbangert.com


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